Es war gut. Es war gut etwas zu tun. Und wenn es nur daraus bestand, im Licht der Fackel merkwürdige Schachteln mit bunten Bildern anzuschauen, diese Geräte zu untersuchen und einfach in der ehe von Evi zu sein. Wieder an der Oberfläche schoben die beiden die Kiste mit den gefangenen Untoten zur Seite, sodass sie später einfacher wiederkommen konnten und machten sich wortlos wieder auf zum Lager. Naja, Haile zumindest war wortlos. Evi setzte immer mal wieder an, etwas zu sagen.
Rund um Adam war es so gut wie menschenleer. Lisa, Andrea und Lexi hatten sich bereiterklärt, den Sarg zu bewachen, Lancaster, Frank und Jäger fehlten weiterhin, Jackal , Howard, Will und Mary waren jetzt auch weg und auch Eryn fehlte. Gerade, als Haile nach Leo schauen wollte, hörte sie das erbärmliche Schaben von Metall auf Asphalt und sah Mula um die Ecke biegen - mit einem riesigen Metallteil im Schlepptau, auf dem Leo wie eine Königin saß. Der Neue saß etwas fehl am Platze neben ihr.
Evi ging kopfschüttelnd aus dem Weg, während Haile in die andere Seite auswich und dabei fast über ein kleines Holzkästchen stolperte. Sie fing sich gerade noch und warf dabei einen Seitenblick auf die Zeichnung. Der genauso gut auch ein Spiegel hätte sein können.
"...!"
Blutslinie. Das allsehende Auge. Und sie selbst.
Blutslinie.
Familienbande, die stärker waren als das Leben selbst. Und wer stärker werden sollte, der musste diese Bande nutzen. Gebadet im Blut der Ahnen. Ein Zeichen von Stärke, von Entschlossenheit.
Haile fuhr mit dem Finger die Linien auf der Zeichnung entlang.
"Hey, was machst du da?"
"..."
"Mh, zeig mal, ist das wieder so ein scheiss..."
"..."
"Was steht da? ...Huh. Das ist ja interessant."
"..."
Haile spürte die zweifelnden Blicke von Leo hinter ihr. Die junge Latina hatte sich zu ihr heruntergebeugt und inspizierte die Zeichnung nun genauer.
Mit einem leisen Seufzen erhob Leo sich wieder und streckte sich kurz.
"Mir egal, was diese Spinner da aufmalen. Ob das nun deine persönlichen Stalker sind, oder irgendwelche anderen Durchgeknallten, aber was da steht, ist abergläubischer Blödsinn."
"...nein."
Das Wort, welches da stand. Das mit dem P. Sie wusste nicht, was die anderen Worte und Buchstaben bedeuteten, aber das da hieß Vater. Vater.
Nachdem Jack und Léo wieder festen Boden unter den Füßen hatten und Haile von irgendetwas anderem abgelenkt wurde, strich Evi leicht über das Metall des Flammenwerfers. Sie kannte das Prinzip dieser Waffe aus ein paar Geschichten von Iosif, die der Kategorie "brutal" angehört hatten. Gesehen hatte sie so etwas natürlich noch nie, und diese Version schien sowieso nicht sehr handlich zu sein. Wie gerne hätte sie das einfach mal ausprobiert.
"Nicht schlecht.", ließ die Stimme von Howard ihre Hand zurückschrecken. Er stand bei Will, der wortlos nickte. "Ja, jetzt müsste man nur noch wissen, wie man das Teil bedient. Das könnte echt nützlich sein.", sagte Evi und stellte sich uneingeladen zu den Ärzten.
"Wir haben dafür eine Musikanlage gefunden. Und Kassetten." Sie fischte die, die sie mitgenommen hatte, aus ihrer Tasche. "Vielleicht geht ja jemand voll ab, wenn er etwas von A B B A hört." "Abba.", entgegnete Howard trocken und es war an keiner Regung zu erkennen, ob er diese Abbas gut oder schlecht fand. Oder ob er überhaupt eine Meinung dazu hatte. Will wirkte auch nicht sonderlich beeindruckt.
"Aber wir mussten dafür ein paar Zombies erledigen!", fügte sie eilig hinzu, denn sie hatte nicht vergessen, dass dieser Schnösel-Doc sie mal für schwach gehalten hatte. Die Taucherin hatte immer gehofft, dass die Alligatoren-Sache sich bis zu ihm durchgesprochen hatte, aber sie wusste es nun mal nicht. Es konnte nicht schaden, ihn immer wieder auf mutig bestandene Kämpfe hinzuweisen.
"Zombies?", fragte Howard und sein Gesicht deutete ziemlich gut, dass er nicht fand, dass ein paar Kassetten das Wert gewesen waren. "War nicht so schlimm. Außerdem haben wir auch Werkzeuge gefunden. Und weiße Stoffe. Und Farben!" Sie nickte überzeugt. "Klar, es ist kein Flammenwerfer, aber es sind wenigstens Dinge, die hier jeder benutzen kann. Da brauchen wir keinen Raketenwissenschaftler oder was auch immer."
Evi wandte sich nun von den viel zu unbeeindruckten Ärzten ab und widmete sich dem Stoff und den Farben, die sie mitgenommen hatte. Haile und Léo standen zusammen und wirkten als sollte man sie nicht stören. Jack schien die Schaufel, die sie auch noch mitgeschleppt hatten (ja, sie waren unbestreitbar die bisherigen Helden), zu inspizieren und ein paar bewachten Adam. Es war also gerade nicht die produktivste Stimmung, vor allem weil so viele Leute immer noch unterwegs waren. Also konnte Evi ihr Vorhaben, ihren Stress durch Malen abzuarbeiten, ohne schlechtes Gewissen in die Tat umsetzen.
Eigentlich malte sie nie, auch wenn sie als Kind früher gerne Schatzkarten gezeichnet hatte. Aber es gab gar nie einen Grund seine Zeit damit zu verschwenden, und auch selten die geeigneten Materialien. Als sie aber die Sachen gesehen hatte, war irgendwie der Drang gewachsen, irgendetwas Buntes auf diesen weißen Stoff zu kleckern.
Es dauerte eine Weile, bis die Taucherin wusste, was sie überhaupt malte. Es hatte mit einem silbernen Ding angefangen, das in einem blauen Meer vor sich hinschwebte. Bald schon bewegte sich ihre Hand aber wie von selbst über den Stoff, und während sie mit vor Konzentration zusammengepressten Lippen die "Leinwand" immer mehr ausfüllte, gesellte Lisa sich zu ihr.
"Was ist das?", fragte sie interessiert. "Er...erkennt man das nicht?", entgegnete Evi enttäuscht, und die andere Frau lachte. "Doch klar, ein Schiff, ein Pferd, und so weiter, aber warum machst du das?"
Die Taucherin zuckte mit den Schultern. "Ich wollte mich bloß etwas ablenken. Und dann kam ich plötzlich auf die Idee, ein Bild zu machen, das unsere Reise irgendwie einfängt, weißt du? So als wäre es unsere ganz eigene Flagge."
Nun sah sie sich ihr Werk mit schiefem Kopf an und nickte nach einer Weile. "Ich glaube ich bin jetzt sowieso fertig."
"Adam ist in der Mitte, weil er immerhin der Grund für unsere Reise war.", erklärte sie Lisa. "Die hässlichen Hütten da unten symbolisieren Shengs Hope. Genauso wie das Schiff, das soll die Ahladita sein. Also, nicht der unheilvolle Part, sondern der Gute. Mit unserem Bürgermeister, der an uns glaubt und... du weißt schon." Sie musste sich kurz räuspern, bevor sie auf die Symbole rechts deutete. "Das ist die gefiederte Schlange... oder die Kritzelversion davon." Sie grinste. "Auch wenn man nicht daran glaubt, soll sie trotzdem über uns wachen. Da drunter ist das Symbol der Vultures, ich glaube ich brauche nicht erklären, dass die großen Einfluss auf mi- ... auf unsere Reise hatten."
Lisa nickte und deutete dann fragend auf das Pferd. "Das Pferd und das Feuer sollen irgendwie an die Karawane von Mum Perlmutter erinnern. Die anderen haben gesagt, dass sie versucht haben, unseren Leuten zu helfen, als die Siedlung angegriffen wurde. Irgendwie wollte ich das auch ehren."
Evi trat nun zur Seite, um die Farbe in der Sonne trocknen zu lassen. "Naja, Talent ist was anderes. Aber es soll auch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, sondern Hoffnung geben. Nachdem wir durch diese blöde Barriere gebrettert sind, werden wir die verschleppten Leute retten, und danach Adam abliefern. Also passt weiter gut auf, dass dem Ding nichts passiert." Sie zwinkerte Lisa zu und setzte sich dann in den Schatten, um zu überlegen, was sie nun tun konnte.